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Bilingualismus (Zweisprachigkeit)- Chance oder Risiko?
- 13. November 2016
- Posted by: Dorothea Nowak
- Category: Allgemein
“Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt”– Ludwig Wittgenstein, Philosoph.
Inwieweit trifft das Zitat zu?
Weiten wir mit der Kenntnis einer Fremdsprache unsere Lebensauffassung wirklich auf, oder sorgen für sprachliche Verwirrung und Identitätsverlust?
Der Begriff Sprache bezeichnet zwei grundlegende Wege der Kommunikation. Demgemäß verständigen sich Menschen mithilfe von bestimmten Zeichen (Wörtern) oder durch Handlungen, sowie Körpersprache. Je nach Land und Kultur unterscheidet sich die Sprache. Nicht nur Grammatik und Wortschatz ändern sich, sondern vor allem auch die Körpersprache und die damit verbundenen Schemata und Normen in unserem Kopf. Dem zufolge erwirbt man mit jeder neu erlernten Sprache gleichzeitig eine neue „Seele“- oder im Gegenteil? Entfremden wir uns subtil der eigenen Muttersprache und unserer Herkunft? Wo liegt die goldene Mitte?
Es gibt deutliche und konkrete Vorteile bei Zweisprachigkeit. Mit Fremdsprachen erweitern wir unsere Erkenntnisse und unseren Horizont. Lebenslanges Lernen und regelmäßiges Nutzen einer zweiten Sprache sollen für mehr Vitalität und Belastbarkeit unserer Gehirne sorgen. Selbst die Gefahr von Alzheimer scheint unter bilingualen Menschen wesentlich niedriger zu sein als bei den monolingualen Personen. Somit können wir nicht nur unsere kognitiven Fähigkeiten, sondern auch wirtschaftlichen Profite steigern und haben dadurch bessere Aussichten auf beruflichen Erfolg.
Die entwicklungspsychologische Sicht schildert, dass Kinder bis zum 5.-6. Lebensjahr optimale Voraussetzungen für das Erlernen von zwei oder mehr Sprachen aufweisen. Bis zum 11. Lebensjahr ist man in der Lage, ein neuronales Netzwerk aufzubauen, in welches mit Leichtigkeit sogar eine 3. Sprache integriert werden kann. Außerdem gelingt es den mehrsprachigen Menschen besser die Aufmerksamkeit auf mehrere Aspekte gleichzeitig zu richten und bestimmte Hirnaktivitäten zu steuern. Konzentration und die Leistungsfähigkeit ziehen die Profite davon.
Unsere Muttersprache bestimmt weitestgehend, wie wir die Welt primär sehen und verstehen. Jedoch jeder Mensch als Individuum ist in der Lage die Tür in andere Welten zu öffnen und die globale Sicht mit vollen Zügen zu genießen. Die Mehrsprachigkeit fördert ja dabei die Fähigkeit offen und tolerant mit anderen Kulturen, sowie Mentalitäten umzugehen und sich verbundener zu fühlen. Sprache hilft uns dabei, einen Sinn aus der Welt zu ziehen und beeinflusst die Art, wie wir diese sehen und beschreiben.
Nachteile der Mehrsprachigkeit machen sich dagegen nicht selten bei Migranten und deren Kinder bemerkbar. Oft entspricht die Sprachentwicklung der Erstsprache einem niedrigen Status und kann unvollständig entwickelt werden. Kognitiv hinderlich ist die Tatsache, dass zu viele Wörter sich im Kopf befinden. Die Informationslawine überfordert das Gehirn. In Folge dessen können diverse Blockaden, Distanz, Zweifel, Verlust an Selbstvertrauen entstehen.
Auf der anderen Seite scheint es heutzutage in unserem multikulturellen Zeitalter des globalen Reisens und des Kosmopolitismus unrealistisch zu sein, sich nur auf eine Sprache zu begrenzen. Selbst die Europäische Union propagiert den plurilingualen Menschen und Kenntnisse weiterer Fremdsprachen werden stark angestrebt. Der gesunde Menschenverstand soll uns neben den eigenen Talenten und Interessen ein guter Wegweiser sein.
Letzendlich: „Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.” Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Dichter.